„Können uns leisten, Menschen mit Behinderung entsprechende Arbeit zu geben“

Josef Riegler, Diözesanvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer/innen-Bewegung (KAB), fordert Sensibilisierung für das Thema und allgemein „gute Arbeit für alle“. In diesem Sinne solle sich die Gesellschaft ändern. Wie es in der Arbeitswelt weitergehe, sei schwierig vorherzusehen. Wirtschaft solle menschengerechter werden, wir könnten uns als reiche Gesellschaft leisten, Menschen mit Behinderung entsprechende Arbeit zu geben. Für Gott seien Menschen mit Behinderung keine Menschen zweiter Klasse, alle hätten aus kirchlicher Sicht die gleiche Würde. Der Wert des Menschen liege nicht in seiner Leistung, sondern schlicht in seinem Sein, bzw. in der Fähigkeit zu lieben. Dies brächte auch Papst Franziskus stark zum Ausdruck.
 
Der St. Pöltner Caritas-Direktor Hannes Ziselsberger erklärte, die Caritas reflektiere das System immer wieder. Wir seien in einer Sowohl-als-auch-Welt gelandet, in der sehr viel getan werde. Aber wir wüssten oft auch nicht, wie geholfen werden könne. Die Frage der Existenzsicherung etwa sei schwierig: auf der einen Seite stünden soziale Anliegen, auf der anderen Seite sei es wichtig, Menschen wieder auf den Arbeitsplatz zu bringen. Menschen mit Beeinträchtigung und andere hätten schnell Probleme, wenn die Waschmaschine kaputt ist, oder könnten oft nicht andere zum Essen einzuladen oder Kinder auf Schulwoche schicken. Die Caritas könne helfen, etwa mit Secondhand-Shops. Das sei gut, aber er sei nicht stolz auf eine Gesellschaft, die das erfordere. Die Gesellschaft sei fixiert auf Erwerbsarbeit und auf Produktivitätszuwachs. Das schaffe natürlich auch Wohlstand und hohe Steuereinnahmen. Aber nicht alle könnten in der Spirale der Produktivitätssteigerung mitkommen. Produktivitätsdruck spüre man und viele würden da nicht mehr mitkommen. Diese würden dann schnell an die Armuts- und Existenzgrenze stoßen. Das dauernde Mehr-Wollen sei ein Problem. In unserer reichen Gesellschaft sollte eigentlich für alle genug da sein.
 
Ulrike Königsberger-Ludwig, Nationalratsabgeordnete und SPÖ-Behindertensprecherin, betont, Ziel der Politik sei es, Rahmenbedingungen zu bieten, damit möglichst viele Menschen Arbeit finden. Wichtig sei das Zeugnis von betroffenen Menschen. Jede und jeder solle in der Gesellschaft den Platz finden, der ihr und ihm zusteht. Zur Frage der Inklusion meint sie: „Die Gesellschaft habe den Auftrag, die Einzigartigkeit und Verschiedenheit zu akzeptieren und für sie Platz zu finden.“ Sie habe stark kritisiert, dass im überarbeiteten Regierungsprogramm die Frage der Arbeit von Menschen mit Behinderung nicht vorkommen würden, das betreffe 700.000 Menschen in Österreich. Daher werde die SPÖ etwa am 12. Mai Menschen mit Behinderung ins Parlament einladen. Bildung, Arbeit und Wohnen seien großes Thema für diese, das wolle man in einer Enquete Ende Mai mit Bundeskanzler Christian Kern einbringen. Für sie sei es wichtig, zuzuhören und die Lebenssituationen von Menschen mit Handicap wahrzunehmen. Sie kritisiert dabei das Kompetenz-Wirr-Warr bei Themen wie Versicherungen für Menschen mit Behinderung zwischen Bund und Ländern. Wichtig sei ihr Bewusstseinsbildung, etwa in dem Sinne dass Menschen mit Behinderung leistungswillig, aber dann und wann vielleicht nicht voll leistungsfähig seien.
 
Andreas Geierlehner, Leiter der Wirtschaftskammer Amstetten, sagte, das Thema Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz bewege auch die Wirtschaft. Seit Jahrzehnten sei es Thema, wie die Wirtschaft mit Menschen mit Behinderung umgeht. Sinnvolles Wirtschaften bedürfe aber auch Leistung. Viele Betriebe hätten eine große soziale Ader. Auch er habe einen 21-jährigen Sohn mit besonderen Bedürfnissen und wisse daher um die Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt. Das Thema interessiere die Wirtschaft und diese sei auch verpflichtet Menschen mit Behinderung einzustellen. Allein in Niederösterreich seien 8.000 Menschen mit Behinderung beschäftigt, 14.000 müssten es sein. Betriebe müssen ab 25 Beschäftigten einen Menschen mit Behinderung beschäftigen, sonst müssten sie eine Ausgleichstaxe zahlen. Diese betrage jährlich 24 Millionen Euro in Niederösterreich. Es gehe darum, Bewusstsein zu bilden, aber auch Information zu geben. Auch für Betriebe sei es wertvoll, Menschen mit Behinderung einzustellen – aufgrund des Betriebsklimas oder wegen des sozialen Engagements. Vielfach würden Unternehmen wollen, aber dennoch scheitern. Man müsse akzeptieren, dass Betriebe gewinnorientiert arbeiten müssten. Daher seien finanzielle Unterstützungen wichtig.
 
Zeugnisse von Arbeitnehmern mit Handicap
 
Ein früherer Abteilungsleiter eines Mostviertler Unternehmens berichtet, dass ihn sein Job ziemlich beansprucht habe. Er habe starke Belastung gespürt durch Arbeit und nahm in Folge Medikamente. Trotz seiner hochprozentigen Invalidität sei der Antrag des Gutverdienen auf Invaliditätspension abgelehnt worden. Bald stand er vor Problemen: Er habe eine Familie zu versorgen und das Arbeitslosengeld endete. Angebote habe es gegeben, diese Jobs seien aber sehr schlecht bezahlt worden. Der 46-Jährige habe mit seiner Behinderung noch 20 oder mehr Jahre zu arbeiten. Besonders kritisiert er, dass Bewerbungen nur über Lebenslauf und elektronische Medien laufe und das vielfach nicht über das persönliche Gespräch laufe.
 
Eine alleinerziehende Mutter erzählte über ihre psychische Beeinträchtigung. Sie habe das lange nicht erkannt und das habe sich auch auf ihr Dienstverhältnis ausgewirkt. Die Krankheit habe ihr viel Kraft abverlangt für den Tagesablauf. Sie hatte ua. Depressionen, die nicht erkannt wurden. Wendepunkt war ein Krankenhausaufenthalt, bei dem ihr eine Diagnose gegeben wurde. Fuß gefasst habe sie wieder durch ihre Mutterschaft und durch ehrenamtliche Tätigkeiten. Dadurch sei ihr Selbstvertrauen wieder nach und nach gekommen und sie habe ihre Fähigkeiten wiederentdeckt. Ihr war das Gefühl wichtig, wieder in Gemeinschaft zu sein, wieder etwas zu bewirken und weg von der Resignation zu kommen. Die junge Frau gab auch zu bedenken, dass durch die Erkrankung finanzielle Probleme gekommen seien. Aufklärung über Krankheitsbilder und -formen seien ihr wichtig, weil sie oft unsichtbar wären. Sie plädiere dafür, dass die Gesellschaft die Fähigkeiten von Menschen in den Mittelpunkten stelle und nicht die Kostenfrage.
 
Ein weiterer junger Mann berichtete, dass er bald wieder als Kanalräumer beginnen könne. Er erzählte, dass er für 40 Stunden in einem betreuten Beschäftigungsprojekt nur knapp über 200 Euro bekam. Dadurch konnte er sich wenigstens ein Mopedauto kaufen, das ihm für den Arbeitsmarkt mehr Flexibilität ermögliche. Er forderte ein: Man müsse von Arbeit leben können.

hochkarätiges Podiumsgespräch zwischen Wirtschafts-, Politik-, Caritas- und Kirchenvertretern sowie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zum Thema „Gute Arbeit für alle“