Stellungnahme von Caritasdirektor Hannes Ziselsberger

In der Tageszeitung „Die Presse“ erschien am vergangenen Montag ein Gastkommentar in der Rubrik „quergeschrieben“ von Gudula Walterskirchen, Historikerin und Herausgeberin der NÖN, mit dem Titel „Die Caritas ist Opfer ihres eigenen Erfolgs und braucht eine Reform“. Die Aussagen haben mich als Caritasdirektor, der tagtäglich gemeinsam mit mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Nächstenliebe und Caritas lebt, sehr betroffen und sprachlos gemacht.

Am Sonntag hat Kardinal Christoph Schönborn in der ORF-Pressestunde sehr klar festgehalten, dass es ein Grundvertrauen zwischen den Bischöfen und ihrer Caritas gibt und dass es – so der Kardinal –Aufgabe der Caritas sei, auf Armut hinzuweisen, auch wenn das nicht immer angenehm sei. Umso überraschter war ich, als Gudula Walterskirchen in ihrem Kommentar die Bischöfe auffordert „tiefgreifende Reformen in der Caritas vorzunehmen, um ideellen Schaden für die Kirche abzuwenden.“ Sie fordert ein „Gesundschrumpfen auf die wesentlichen Aufgaben der Caritas“. Um jemandem ein „Gesundschrumpfen" empfehlen zu können, muss zunächst eine „Erkrankung" diagnostiziert werden. Ich kann eine solche in der Caritas nicht erkennen. Ganz im Gegenteil: Ich sehe zahlreiche Projekte, in denen engagierte haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter dem gemeinsamen Dach der Caritas Menschen in Not ganz konkret helfen. Die Hilfe reicht von Sozial- und Familienberatungsstellen über Lerncafés bis hin zu den Aufgaben der PfarrCaritas, wie etwa dem Besuchsdienst für Menschen aus der Gemeinde.

Frau Walterskirchen schreibt von der Caritas als „Sozialkonzern“, der enorm gewachsen sei und tausende Angestellte und hunderte Einrichtungen betreibe. Dabei lässt die NÖN-Herausgeberin außer Acht, dass die Angestellten einen wichtigen Dienst der Nächstenliebe an den Menschen in diesem Land leisten: im Rahmen der Pflegedienste, in Wohnhäusern und Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder in den Angeboten für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es sind dies Aufgaben, die von der Caritas zum Teil ins Leben gerufen und aufgebaut wurden. Die Haltung von Gudula Walterskirchen, dass diese Aufgaben „genauso gut Mitbewerber erledigen können“, teile ich nicht.  Darf Kirche nicht mehr helfen, weil auch andere helfen? Ist es falsch, wenn sichtbar bleibt, dass Glaube und Engagement für andere und Nächstenliebe auch durch die Kirche gezeigt und gelebt wird? Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziehen stolz ihre Caritas-Dienstkleidung an und sind in ihrer Freizeit in der Pfarre engagiert. Natürlich ist der eingeschlagene Weg der Caritas nicht der einzige mögliche, aber er ist ein sehr bewährter und erprobter Weg, der auf Jahrzehnte an Erfahrung zurückblicken kann. Die Unterstellung einer unchristlichen Haltung schmerzt mich als Caritasdirektor, da sie jeder Grundlage entbehrt.

Ich habe als erste Reaktion auf diesen Gastkommentar Frau Gudula Walterskirchen direkt kontaktiert und mit ihr am Dienstag ein persönliches Gespräch geführt, in dem ich versucht habe, meinen Caritas-Standpunkt zu erläutern und so manch geäußerten Vorwurf zu entkräften. Ich freue mich, dass Frau Walterskirchen meine Einladung angenommen hat, im April einen Tag lang Einrichtungen und Projekte der Caritas in Niederösterreich zu besuchen, um sich so ein realistisches Bild unserer Arbeit zu machen. Ich danke ihr auch für das sehr wertschätzende und offene Gespräch.

Ich weiß aus zahlreichen Rückmeldungen, dass es viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch zahlreiche Spenderinnen und Spender verstört und kränkt, wenn die Caritas mit solcher Kritik konfrontiert ist. Als Caritasdirektor möchte ich Ihnen versichern, dass wir uns davon in unserer Arbeit für Menschen in Not nicht irritieren lassen, sondern sehr genau zwischen sachlich begründeter Kritik und Vorurteilen unterscheiden. Denn natürlich machen auch wir Fehler. Meine Verantwortung als Caritasdirektor und die meines Teams ist es, aus diesen Fehlern zu lernen und sie in Zukunft zu vermeiden.