Vor Krisenwinter: Caritas fordert armutsfesten Sozialstaat

Schon 2022 waren gut 1,3 Millionen Menschen armutsgefährdet und 201.000 Menschen akut von Armut betroffen. Aktuellste Erhebungen der Statistik Austria aus dem 2. Quartal 2023 zeigen, dass gerade die Zahl der erheblich sozial oder materiell deprivierten Menschen weiter gestiegen ist. Das deckt sich mit den Erfahrungen in den Einrichtungen der Caritas: „In den österreichweit 71 Sozialberatungsstellen der Caritas sind die Erstkontakte im letzten Jahr um mehr als 50 Prozent gestiegen, die Anfragen steigen in diesem Jahr weiter. Aufgrund des hohen Andrangs hat beispielsweise die Caritas in Wien auch neue Lebensmittelausgabestellen eröffnet“, betont Landau. Die Bundesregierung hat bereits wichtige Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung ergriffen, darunter Einmalzahlungen, die Valorisierung von Sozialleistungen und die Abschaffung der Kalten Progression. „Die Hilfspakete haben in vielen Fällen noch dramatischere Armutssituationen verhindert“, so Landau. Die Teuerung bleibt aber hoch, die Heizsaison steht bevor, die Arbeitslosigkeit wächst und die Wirtschaft schrumpft. Die Aussichten sind trübe. „Der Druck, der auf den Schultern vieler Menschen lastet, ist nach wie vor enorm. Wir alle sind in dieser Situation gefordert. Die Politik in Bund und Ländern darf jetzt nicht müde werden und muss gerade jetzt ein armutsfestes Sozialnetz ohne Lücken sicherstellen. In diesem Sinne appelliere ich an die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass der im Regierungsprogramm vorgesehene parlamentarische Unterausschuss Armutsbekämpfung rasch eingesetzt wird. Holen wir den Diskurs weg vom Heurigen und bringen ihn ins Parlament. Arbeiten wir gemeinsam an Lösungen, dann werden die Menschen wieder in ein selbstbestimmtes Leben zurückfinden“, so Landau.

Armutsfestes Sozialnetz schaffen: Sozialhilfe reformieren, Ausgleichzulagenrichtsatz und Arbeitslosengeld erhöh
Um die Lücken im Sozialsystem zu schließen schlagen wir als Caritas eine Reform der Sozialhilfe als letztes Auffangnetz für alle Menschen in Österreich, eine Anhebung des Ausgleichzulagenrichtsatzes sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengelds unter Beibehaltung der Notstandshilfe vor“, fasst Landau die wichtigsten Reformen zusammen.  All diese Maßnahmen kommen genau jenen zugute, die am dringendsten Hilfe brauchen. „Heben wir die Ausgleichszulage, die so etwas wie der Mindeststandard unseres Systems ist, auf die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle an, profitieren rund 600.000 Haushalte mit mehr als 1,1 Mio. Personen - darunter fast 2/3 Frauen oder Kinder“, streicht Generalsekretärin Parr di Dimension der Maßnahme hervor. Das sind genau jene Gruppen, die überproportional von Armut betroffen sind. Diese Hilfe wäre rasch und unbürokratisch umzusetzen und würde die Armutsgefährdungsquote mit einer einzigen Maßnahme um ein Drittel senken.

Ein weiterer Grund strukturell bedingter Armut liegt in der derzeitigen Ausgestaltung der Sozialhilfe. „Die Zerschlagung des Systems der bedarfsorientierten Mindestsicherung durch die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung hat zu einer massiven Verschlechterung für viele Menschen in Not geführt. Hier braucht es dringend eine Gesamtreform mit Mindeststandards statt Maximalbeträgen, um die Sozialhilfe wieder zum letzten Auffangnetz für alle Menschen in Österreich zu machen“, so Parr. Da seien sich Hilfsorganisationen ebenso einig wie Wirtschaftswissenschafter Christoph Badelt.

Nicht zuletzt aufgrund der steigenden Arbeitslosenzahlen ist die Regierung auch gut beraten, das Arbeitslosengeld unter Beibehaltung der Notstandshilfe zu erhöhen. „Aktuell verliert das Arbeitslosengeld real sogar enorm an Wert. Denn im Gegensatz zu den Löhnen wurde das ohnehin viel zu geringe Arbeitslosengeld nicht einmal wertangepasst. Zumindest darauf sollte sich die Regierung verständigen können“, hofft Parr. All diese Maßnahmen würden auch die Kinderarmut reduzieren, weitere Maßnahmen seien aber unabdingbar. „Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um Kinderarmut in Österreich hintanzustellen. Jedes Kind, das in Österreich in Armut lebt, ist eines zu viel. Jedes Kind, das am Schulausflug nicht teilnehmen kann oder dessen Jausenbox leer bleiben muss, ist eines zu viel. Das dürfen wir nicht kleinreden oder gar lächerlich machen. Vielmehr sollte die Regierung rasch Kinderbetreuungsplätze schaffen, Familienleistungen weiter stärken und dafür Sorge tragen, dass jedem Kind die bestmögliche Bildung in diesem Land widerfährt.“

Wir helfen: Caritas mit breitem Angebot im Kampf gegen Armut
Wie bereits erwähnt, sind wir in dieser herausfordernden Situation alle gefordert. Wir als Caritas gehen mit gutem Beispiel voran und erweitern laufend unser Angebot. Wir sehen uns nicht nur als Sprachrohr von Menschen in Not, wir unterstützen und helfen Menschen tagtäglich-  beispielsweise in österreichweit 71 Sozialberatungsstellen, 41 Familienberatungsstellen, 12 Mutter-Kind-Häusern, zahlreichen Lebensmittelausgabestellen, in über 61 Second Hand Shops oder unseren 68 Lerncafés. „Alleine als Caritas der Diözese St. Pölten betreiben wir zehn Second Hand Shops und sechs Sozialmärkte. Davon profitieren in erster Linie natürlich jene, die dort günstig einkaufen können. Die beste Prävention von Armut ist Bildung und ein Job, von dem man leben kann. Unsere Beratungsstellen arbeiten auch sehr intensiv mit den verschiedenen sozialökonomischen Betrieben und Projekten des Arbeitsmarktservice zusammen und diese Projekte sind von unverzichtbarem Wert in unserer Gesellschaft. Hier im carla und auch im Sozialmarkt in Krems arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Begabungen und Bedürfnissen. Wir als Caritas ermöglichen ihnen eine sinnvolle Betätigung“, streicht der Direktor der Caritas St.Pölten, Hannes Ziselsberger, hervor. „Besonders stolz sind wir auch auf unsere sechs Lerncafés im Bundesland. Denn Bildung ist ein wichtiger, präventiver Schlüssel im Kampf gegen Armut. In diesen Lerncafés erhalten Kinder, die es nicht so leicht haben, eine kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung. In einem angenehmen Lernumfeld inklusiver einer gesunden Jause unterstützen wir die Kinder, ihre Potenziale bestmöglich abzurufen. Wie groß der Bedarf für ein solch kostenloses Angebot ist, zeigen die langen Wartelisten. Österreichweit stehen derzeit 1.000 Kinder auf der Warteliste“, so Ziselsberger.

Herzlichen Dank der Erste Bank und Sparkasse für die Unterstützung der diesjährigen Kampagne.