Wenn Lisa morgens nicht von ihrer Mama geweckt wird, bekommt sie ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sie sucht nach ihrer Mama und findet sie müde und traurig im Bett. Auf ihre Frage, warum die Mama so traurig ist, bekommt sie wie immer keine Antwort. Sie geht zurück in ihr Zimmer, zieht sich an und geht allein zur Schule… Heute weiß Lisa, dass ihre Mama an einer Depression erkrankt ist. Trotzdem fällt es ihr sehr schwer zu verstehen, warum gerade ihre Mama nicht mit ihr spielen kann und sie nicht in den Arm nimmt oder mit ihr kuschelt.
In solchen oder ähnlichen Situationen befinden sich Kinder, deren Elternteil oder Eltern an einer psychischen Erkrankung leiden. Sie sind Kinder wie alle anderen, werden aber im alltäglichen Leben mit Herausforderungen konfrontiert, die sie stark belasten und worunter sie leiden. Sie nehmen das veränderte Verhalten der Mutter oder des Vaters wahr, finden aber keine Erklärungen, sind verunsichert und mit ihren Ängsten oft allein gelassen. Zusätzlich wollen sie ihren Eltern helfen und übernehmen Aufgaben innerhalb der Familie, die sie überfordern und in weiterer Folge selbst erkranken lassen.
„Wenn eine Mutter oder ein Vater psychisch krank ist, stellt das die gesamte Familie auf den Kopf. Am meisten leiden darunter die Kinder. Die kindgerechte Erklärung der momentanen Lebenssituation und individuelle Beratung sind deshalb entscheidend", weiß Anna Entenfellner, Projektleiterin KIPKE Caritas St. Pölten. Seit mittlerweile 15 Jahren unterstützt das vom NÖGUS finanzierte Projekt KIPKE (Kinder psychisch kranker Eltern) diese Kinder in Form von kurzzeitigen Beratungen und Gruppenangeboten. „Über kindgerechte Informationen und Aufklärung zur Erkrankung des Elternteils sollen die Kinder in einem ersten Schritt von Angst- und Schuldgefühlen und von übergroßer Verantwortung entlastet werden", betont Anna Entenfellner. „Darüber hinaus werden Krisenpläne mit den Kindern für den Fall erarbeitet, dass sich die Lebenssituation zu Haus zuspitzt oder der kranke Elternteil in ein Krankenhaus muss." erklärt Michaela Jirgal, Projektleiterin KIPKE PSZ gGmbH
Mit Fachvorträgen, einer Podiumsdiskussion und ausreichend Möglichkeiten zum fachlichen Austausch wurden bei der Tagung die Ergebnisse von 15 Jahren Arbeit reflektiert und vertieft. „Mit der Tagung wollen wir die engagierte Arbeit unserer Mitarbeiter*innen würdigen, dem Fördergeber für seine langjährige Unterstützung danken und gleichzeitig darauf aufmerksam machen, wie wichtig präventive Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern ist“, fasst Michaela Jirgal zusammen.
„Wenn ein Elternteil psychisch krank ist, trifft das die ganze Familie – vor allem aber die Kinder. Sie tragen Sorgen, die kein Kind tragen sollte. Das Projekt KIPKE leistet hier seit 15 Jahren großartige Arbeit: Es gibt Halt, wo Unsicherheit ist, und es schenkt Vertrauen, wo sonst oft Schweigen herrscht. Solche Initiativen zeigen, was gelebte Verantwortung bedeutet. Denn Hilfe darf nicht erst beginnen, wenn es zu spät ist. Gerade Kinder brauchen jemanden, der sie sieht, der erklärt, was los ist, und ihnen das Gefühl gibt, nicht allein zu sein. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit Herz und Verstand für diese Kinder einsetzen. Sie beweisen jeden Tag, dass Menschlichkeit die beste Prävention ist – und dass psychische Gesundheit ein Thema für uns alle ist. Nur gemeinsam schaffen wir es, das Schweigen zu brechen und den Kindern wieder ein Stück Unbeschwertheit zurückzugeben“, betont Martin Antauer, Landesrat für Sicherheit, Asyl und Zivilschutz.
Von der Beratung bis zum Sommercamp
Die Mitarbeiter*innen im Projekt KIPKE versuchen mit allen Familienmitgliedern und Kooperationspartnern die Bedürfnisse der Kinder zu klären, helfen beim Aufbau von sozialen Kontakten, Etablieren von Vertrauenspersonen und weiteren Unterstützungsmöglichkeiten.
PSZ gGmbH und Caritas bieten im Rahmen des Projektes KIPKE (Kinder psychisch kranker Eltern) seit 15 Jahren auch ein Sommercamp für Kinder und Jugendliche an. Mit Unterstützung von spezialisierten Trainer*innen (Outdoor- und Gestaltpädagog*innen) werden aufregende und abwechslungsreiche Tage gestaltet. Zwischen Frühstück und zu Bett gehen wird in Kreativworkshops und bei Outdooraktivitäten gewerkt, getrommelt, gewandert und getanzt. Hierbei können die Kinder ihre verborgenen Talente entdecken, eigene Stärken erkennen und positive Energie tanken. Einige Kinder fahren bereits über viele Jahre hinweg mit und genießen die Vertrautheit.
Die Erfahrungen, die bisher mit dem Projekt KIPKE gemacht wurden, sind durchwegs positiv. Mittlerweile wurden im Laufe von 15 Jahren über 6300 Kinder in 5000 Familien betreut. Betont wird von allen Seiten dabei die Wichtigkeit das Schweigen zu brechen, miteinander zu reden und das Thema als solches mehr in die Öffentlichkeit zu rücken.
