Familien und Pflegebedürftige: Opfer der Budgetsanierung

Mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisieren der katholische Familienverband sowie das Katholische Bildungswerk, die Caritas und der „Bereich Familie“ der Pastoralen Dienste der Diözese St. Pölten das jüngste Sparpaket der Regierung.

Mit diesem Sparpaket habe die Regierung „treffsicher daneben getroffen“, sagt Walter Reiterlehner, Leiter des Bereiches Familie und Pflege der Caritas St. Pölten und meint lakonisch „90 Prozent trifft man ja eher als 10 Prozent. Diese 10 Prozent der Vermögenden könnten mit einer geringen Besteuerung das Budget sanieren, ohne dass sie selbst sparen müssten“, so Reiterlehner.
Die Caritas spürt die Einsparungen der Regierung an allen Ecken und Enden. Dass die vorjährige Wirtschaftskrise keineswegs überstanden ist, zeigen auch die Zahlen der Caritas Sozialberatungsstellen (Nothilfe) in St. Pölten. „Die Sozialberatungsstellen der Caritas verzeichnen heuer in den ersten neun Monaten einen Anstieg der Beratungen von unglaublichen 52 Prozent bei den Erstkontakten im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei der Nothilfe wurde 28 Prozent mehr an Geldern ausbezahlt“, zeigt sich Walter Reiterlehner betroffen. Denn auch die Mindestsicherung ist mit 744,- Euro 12 mal im Jahr auf einem so niedrigen Niveau, dass es  kaum zum Überleben reicht.
Etwa 20 Prozent der Familien mit drei und mehr Kindern seien armutsgefährdet. Ohne Sozialleistungen, etwa der Familienbeihilfe, würde dieser Anteil auf 31 Prozent ansteigen. Leben heute bereits 130.000 Kinder und Jugendliche in „manifester Armut“, werde dieser Anteil noch gewaltig steigen, warnte er.

„Von den Budgetkürzungen der Bundesregierung sind neben den Familien auch pflegebedürftige Menschen im überproportionalen Ausmaß betroffen“, betont Walter Reiterlehner. Auch pflegebedürftig zu sein, ist mittlerweile ein Armutsrisiko. Die mobile Pflege zu Hause ist an das Pflegegeld gekoppelt, das ebenfalls gekürzt wird. „40 Prozent der PflegegeldbezieherInnen wären derzeit in Niederösterreich von den Sparmaßnahmen betroffen“, ärgert sich Reiterlehner. Nach dem neuen Pflegegeldmodell hätten sie keinen Anspruch mehr auf mobile Pflege. Die Caritas fordert daher dringend eine zukunftsorientierte Finanzierung in Form eines Pflegefonds mit einheitlichen Standards.

„Enttäuscht und zornig“
Nicht weniger scharf reagierte der Vorsitzende des Katholischen Familienverbandes, Josef Grubner auf die jüngst beschlossenen Einsparungen beim Familienbudget. „Wir sind enttäuscht und zornig, was sich da abspielt“, sagte er und ortet hinter den angekündigten Maßnahmen „eine skandalöse gesellschaftspolitische Entwicklung“. Der Katholische Familienverband sehe sich als „Anwalt der Familien“, die sonst keine Lobby haben.
Grubner betonte, dass gerade der Katholische Familienverband „offen reden“ könne, weil er keiner Partei verpflichtet sei. Durch diese Sparmaßnahmen werden jene, die es ohnehin schwerer haben „bewusst und absichtlich mehrfach geschröpft“, stellte er fest. Man spüre weithin, so Grubner, dass die Glaubwürdigkeit vieler Politiker schon ins Wanken gerate. Er rief auf, das „familienpolitische Waterloo“ möglichst rasch wieder rückgängig zu machen.

„Das ist blanker Zynismus!“
Auch die Vorsitzende des Katholischen Bildungswerkes, Angela Lahmer-Hackl spart nicht mit scharfen Worten und nennt die Beurteilung des Verhandlungsergebnisses durch Wirtschaftsminister Mitterlehner, nach dem es „keine Sieger und Besiegten gibt“, einen „blanken Zynismus“. Durch die Belastungen der Familie werde eine umfassende Bildung „zum Risiko für Studierende“ und wieder zu einem „Privileg der Reichen“. Sie warnte, dass das verkürzte Bakkalaureatsstudium zu einem „Absinken des universitären Bildungsniveaus“ führen werde.
Mit der Streichung der Familienbeihilfe werde auch die ehrenamtliche Tätigkeit vieler Jugendlicher erschwert, die nach der deutschen Shell-Studie 2010 immerhin 40 Prozent betrage. Durch den Druck, seine Ausbildung rasch zu beschließen, bliebe keine Zeit mehr für freiwillige Dienste, die der Gesellschaft zugute kommen, etwa dem Rotes Kreuz, dem Freiwilligen sozialen Jahr, den Besuchsdiensten oder auch dem Kath. Bildungswerk oder der Jungschar.

„Neid und Unfriede sind bereits zum Thema geworden“
Mit der neuen Sparmaßnahme würden zunehmend Löcher in das vom Staat gewährleistete Sozialnetz gerissen. Lahmer-Hackl erinnerte daran, dass damit die Solidargemeinschaft in Österreich immer mehr in Frage gestellt werde. Neid und Unfriede seien bereits ein großes Thema geworden, warnte sie.
Das Katholische Bildungswerk verlangt eine „wirksame, sozial ausgleichende Vermögenssteuer“, die Einführung einer Transaktionssteuer, Besteuerung auf Energie und Förderung umweltfreundlicher Energiegewinnung. Schließlich sei die Regierung aufgefordert, die Besserverdienenden entsprechend an der Budgetsanierung zu beteiligen, da gerade dort das entsprechende Potential und das Kapital liegen.

„Himmelschreiendes Ergebnis der Verhandlungen!“
Das Ergebnis der Budgetverhandlungen  sei „derart himmelschreiend, dass man sich zu Wort melden muss“, so die Leiterin des Bereiches Familie der Pastoralen Dienste der Diözese St: Pölten. Diese Maßnahmen würden der Familie „so zusetzen, dass es sich nicht mehr lohnt, eine Familie zu gründen“, untermauerte sie.
So würde der Familienfonds der Diözese, der Jungfamilien ein zinsenloses Darlehen gewährt, von vielen Familien nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil sie nicht „mehr in der Lage sind, die monatlichen Raten von 50 bis 60 Euro zurückzuzahlen“. Das sei eine echte “Demontage von Familie“, betonte sie. „Wir können nicht wortlos zusehen, wie eine Regierung derartige familienzerstörende Maßnahmen setzt“, die „in Hinblick auf die Zukunft unserer Gesellschaft“ schleunigst zurückgenommen werden müssten.

Protestbuch des Familienverbandes
Der Familienverband Österreich hat auf der Site www.familienprotest.at ein Protestbuch aufgelegt, wo Männer, Frauen und Familien ihren Protest gegen dieses Sparbudget deponieren können.

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