Bilanz 2010: Vision Armutsbekämpfung

Katastrophen im Großen und Kleinen bestimmten die Arbeit der Caritas 2010. Erste Erfahrungen zeigen: Die neu eingeführte Bedarfsorientierte Mindestsicherung bringt kaum Verbesserungen.

Für die Caritas war 2010 das Jahr der großen Herausforderungen. Im Jänner 2010 zerstörte ein schweres Erdbeben den Inselstaat Haiti, mehr als 220.000 Menschen kamen zu Tode. Massive Monsunniederschläge sorgten im August 2010 für die größten Überschwemmungen in Pakistan seit 100 Jahren. Mehr als 13,5 Millionen Menschen wurden obdachlos. Zwei Millionen Lehmhäuser hielten der Flut nicht Stand. Das entspricht der Anzahl der gesamten Gebäude in Österreich. „Aber auch die Schicksale von Klienten, wie sie den BeraterInnen in der Caritas Sozialberatung, im PsychoSozialen Dienst oder in der Suchtberatung täglich begegnen, bestimmen die Arbeit der Caritas“, betont Caritas Direktor Friedrich Schuhböck. „Auf 142 Standorten betreut und beratet die Caritas St. Pölten über 12.000 Menschen. Über 500.000 Stunden wurden in der mobilen Hauskrankenpflege geleistet. Die Caritas ist unglaublich gewachsen von 25,8 Mio Euro Budget im Jahr 1997 auf 66,3 Mio Euro im Jahr 2010. Aufwand für Administration und Verwaltung wurden dabei nur geringfügig erweitert. 1997 bewältigten im Rechnungswesen 6 Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft dieses Budget, 2010 waren es 7 Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft“
„Der Ausbau vieler Einrichtungen der Caritas wäre ohne Spendengelder nicht möglich“, so Schuhböck, eine der wichtigsten Finanzquellen der Inlandshilfe ist die Haussammlung, die im Juni und Juli stattfindet und den Blick auf die Not der Menschen in Niederösterreich sensibilisieren soll.“

„Im Inland haben wir die Nachwirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise mit voller Härte in den Sozialberatungsstellen gespürt. In den ersten drei Monaten haben wir einen Anstieg bei den Erstkontakten um 80 Prozent verzeichnet“, berichtet Marianne Weigl, Leiterin der Sozialberatung.Nothilfe. Im Jahresdurchschnitt haben sich die Zahlen auf hohem Niveau eingependelt, insgesamt 37 % mehr Sozialberatungen und Nothilfen als im Jahr 2009.

Seit vielen Jahren wird in Österreich über das Thema Grundsicherung diskutiert. Dabei steht Bekämpfung der Armut im Vordergrund. Aus der Idee Grundsicherung wurde im Jahr 2010 eine „bedarfsorientierte Mindestsicherung“. Wobei die Definition „bedarfsorientiert“ durch die Rahmenbedingungen und Richtlinien der einzelnen Länder geregelt wird. Aus neun Sozialhilfegesetzen sollte ursprünglich ein einheitliches Gesetz geschaffen werden. Die Wirklichkeit schaut etwas anders aus, berichtet Marianne Weigl.

Erste Erfahrungen mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS)

• Einbinden der Betroffenen in die gesetzliche Krankenversicherung (E-Card): ein großer Pluspunkt für die BMS ist die Einführung der E- Card für alle BMS-Bezieher/innen; das bedeutet, das große Stigma, mit einem von weitem erkennbaren Sozialhilfekrankenschein zum Arzt gehen zu müssen, fällt nun weg.

• Anbinden der Betroffenen an das Arbeitsmarktservice: auch die Anbindung an das AMS ist eine gute Möglichkeit, Menschen dem Arbeitsprozess wieder näher zu bringen.

• Unterschiedliche Landesgesetze: ursprünglich geplante, österreichweite Vereinheitlichung der Sozialhilfegesetze wurde nicht Realität. Die BMS wird in den Bundesländern weiterhin unterschiedlich in Verordnungen geregelt.

• Hürden bei der Antragstellung – Mitwirkungspflicht: die im Gesetz festgelegte Mitwirkungspflicht besagt, dass Antragsteller/innen zur Durchführung des Verfahrens u. a. die erforderlichen Urkunden, Unterlagen und Nachweise beizubringen haben. Sollten Hilfe suchende Personen ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllen, so sind die Anträge auf Leistungen der BMS einzustellen. Gegenüber der „Sozialhilfe alt“ bedeutet dies eine Erschwernis, da bisher aufgrund vorliegender Unterlagen entschieden wurde, der Antrag aufgrund ev. fehlender Unterlagen aber nicht grundsätzlich abgewiesen wurde.

• Keine hilfreiche finanzielle Verbesserung/ Wegfall der Sonderzahlungen (Bekleidungsbeihilfen, Raumheizungsbeihilfe): Auf das gesamte Jahr aufgerechnet, erhalten BMS- Bezieher/innen in etwa gleich viel Geld wie früher bei der Sozialhilfe; lediglich die Auszahlung hat sich verändert; bei der Sozialhilfe war der monatliche Auszahlungsbetrag etwas niedriger, dafür gab es 2x im Jahr - im Mai und im November – eine  Sonderzahlungen; mit diesen Sonderzahlungen konnten dann oftmals nicht geplante Ausgaben bezahlt werden (z. B. eine neue Waschmaschine, weil die alte irreparabel kaputt war); bei der BMS gibt es keine Sonderzahlungen – auch die monatlich etwas höhere Geldleistung ist zu niedrig, um damit Rücklagen für Notfälle zu bilden.

Caritas Direktor Friedrich Schuhböck fordert daher statt der 12-maligen Auszahlung die 14-malige Auszahlung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Denn die BMS sichert die materielle Existenz, deckt allerhöchstens die primären Grundbedürfnisse wie Wohnen, Essen und Kleidung. Sie ermöglich keine volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – für die Betroffenen bleibt es ein Leben am Rande der Gesellschaft, am Rande der Existenz.


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