Das Blütenwunder des Frühlings ist in meiner Mostviertler Heimat mit ihren vielen Obstbäumen besonders schön. Dieses Jahr hat mich die blühende Pracht speziell berührt. Das lag vielleicht an dem unglaublich blauen Himmel der Karwoche als perfektem Hintergrund für die weißen Blüten. Oder daran, dass die Bäume heuer punktgenau zum Ostersonntag in voller Blüte standen.
Immer schon hat das Christentum in der nördlichen Hemisphäre die Natur, die im Frühling zu neuem Leben erwacht, als Symbolik genutzt für die Osterbotschaft vom Sieg des Lebens über den Tod und der Liebe über die Gewalt. Dass mich das Blühen in diesen Tagen besonders rührt, ist aber wohl vor allem eine Wirkung der Corona-Krise. Sie hat auch mir wieder neu bewusst gemacht, wie kostbar das Leben ist und wie wenig selbstverständlich sein ruhiger Gang in gewohnten guten Bahnen. Die Obstbaumblüte in ihrer zugleich zarten und kräftigen Schönheit wirkt da tröstlich und macht mich achtsam und dankbar für das Gute und für die Liebe, die in meinem Leben da sind, auch und gerade jetzt.
Der jüdische Religionsphilosoph und Schriftsteller Shalom Ben Chorin hat in der um Vieles dramatischeren Situation des Zweiten Weltkriegs vielleicht etwas Ähnliches wahrgenommen. Dabei wählt er den Mandelzweig nicht zufällig, denn er kennt die Bibel, in der diese als erster im Frühling aufblühende Zweige als Hoffnungssymbol vorkommen: „Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.“ (Jer 1,11f) Im hebräischen Urtext steckt hier ein Wortspiel. „Mandelzweig“ und „wachen“ klingen auf Hebräisch fast gleich. Der Mandelzweig wird so zum Fingerzeig, dass Gott über seine Welt wacht, auch dann, wenn wir das nicht mehr wahrnehmen und nur mehr glauben und hoffen können. Gott bleibt treu und steht zu seinem Wort der Liebe zu uns Menschen, zu seinem Versprechen von Heil und Leben in Fülle.
Genau das feiere ich als Christin zu Ostern – mitten in dem durch das bedrohliche Virus so veränderten Alltag, mitten in einer Welt voller Not und Gewalt und Umweltzerstörung, mitten im prachtvollen Frühlingsblühen. „Muss man nicht ein bisschen verrückt sein, um die Hoffnung nicht aufzugeben in dieser Welt?“ fragte Shalom Ben Chorin einmal. Österliche Verrücktheit – das ist auch ein guter Name für mein Vertrauen auf Christus, den Auferstandenen.
Mit Dank an Mechthild Alber