Senegal: Zwischen Nahrungsmittelkrise und Hungerkatastrophe

Krieg, Inflation, steigende Öl- und Lebensmittelpreise, seit dem Ende des zweiten Weltkrieges waren diese Begriffe nicht mehr so nah an der Lebensrealität der Österreicher*innen wie in den letzten Monaten. Der Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen haben gezeigt: Wir sind eng miteinander verknüpft, durch das Weltgeschehen, durch Weltmärkte, durch die weltweiten Herausforderungen unserer Zeit. Eine dieser großen Herausforderungen ist und bleibt der weltweite Hunger. Denn immer mehr Menschen rund um den Globus haben nicht genug zu essen, leiden und sterben an den Folgen von Unterernährung. Christoph Riedl, Generalsekretär der Caritas St. Pölten, appelliert: „Weltweit sind 400 Millionen Menschen auf Lebensmittel aus der Ukraine angewiesen. Für tausende Menschen in Afrika bedeutet das eine echte Notsituation, da der Klimawandel und seine Folgen schon jetzt immer wieder für Ernteausfälle sorgen. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn weltweit mehr als 800 Millionen Menschen unterernährt sind. Wir haben den Hunger satt, so lautet daher auch der aktuelle Slogan der Caritas, der mit einem Spendenaufruf für Menschen, die von Hunger betroffen sind, verbunden ist.“

Warum Hunger in Afrika immer noch Thema ist – oder gerade jetzt
Die Caritas St. Pölten unterstützt seit vielen Jahren Projekte ihrer Partnerorganisationen im Senegal. Lukas Steinwendtner, Leiter der Auslandshilfe und Christiane Gaar, Auslandsreferentin für den Senegal bei der Caritas St. Pölten, haben vor wenigen Tagen Projekte im Senegal besucht, um sich vor Ort ein Bild von der Ernährungssituation zu machen. Sie schildern beispielhaft eine Szene: Marème Sow beugt sich in der sengenden Mittagshitze über einen dampfenden Kochtopf mit Reis. Für 120 Schüler*innen bereitet die junge Frau aus dem kleinen Dorf Siri Mandiala im östlichen Senegal das Mittagessen zu. Das Gemüse kommt aus dem angrenzenden Schulgarten, Reis wird am Wochenmarkt gekauft. Das Geld dafür stammt aus dem Verkauf von Hirse und Mais, der rund um die Schule wächst. Außer dem Gemüsegarten ist hier während der Trockenzeit nichts Grünes zu sehen – die Dorfbewohner*innen leben von der bislang letzten Ernte, die schon einige Monate zurückliegt. Über den Krieg in der Ukraine weiß Marème Sow nicht viel. Doch die Mitarbeiter*innen der lokalen Caritas befürchten, dass gerade Menschen wie sie die Auswirkungen am Stärksten zu spüren bekommen werden.

Klimawandel ist deutlich spürbar
Die Region Matam zählt zu den trockensten Regionen im Land. Die sogenannte Durchhaltezeit, also wenn die Vorräte vom letzten Jahr schon aufgebraucht sind und noch keine neuen Nahrungsmittel geerntet werden konnten, hat für viele Bewohner*innen dieses Jahr schon zwei Monate früher begonnen. Mamadou Ba, Vorstehender des Dorfes Gourel Goudal und Viehzüchter führt das auch auf die Folgen des Klimawandels zurück. Durch ausbleibende oder sich verändernde Niederschläge, Wüstenbildung und Verlust von Bodenfruchtbarkeit werden die Lebensbedingungen für Menschen und Tiere immer härter. Das bedeutet, dass auf bestimmte Überlebensstrategien zurückgegriffen werden muss. „Viele Menschen verkaufen jetzt ihre Tiere und können auch nur mehr 1 bis 2 x pro Tag essen“ veranschaulicht Abbé Jules Bassène, Direktor der lokalen Caritasdiözese die Situation. „Die Menschen können sich nicht mehr vollständig selbst versorgen und sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen“.

Die erwähnten Dörfer sind von Kiew über 7000km entfernt. Wie kann es sein, dass ein Krieg in Europa spürbare Konsequenzen auf Dörfer in Afrika hat?
„Seitdem der Krieg ausgebrochen ist, sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis, Zucker oder Öl stark gestiegen“ erklärt Odile Sarr, Soziologin und Caritasmitarbeiterin der Diözese Kaolack. „Das trifft vor allem die Menschen am härtesten, die einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen“. Die Aussichten sind tatsächlich beunruhigend: die globalen Lebensmittelpreise steigen seit mehreren Jahren und befinden sich auf einem Allzeithoch. „Wenn sich die Menschen das Essen nicht mehr leisten können, besteht die Gefahr, dass es zu Hungersnöten und sozialen Unruhen kommt. Vor allem die Zeit von Mai bis August vor der nächsten Ernte, ist für viele schlimm“, befürchtet Odile.

Weltweit steigt der Hunger
„Unsicherheit und Krisen scheinen zur neuen Normalität geworden zu sein. Neben Klimawandel, Artensterben, Pandemie, Flucht und Vertreibung, Energieknappheit und Krieg droht nun auch eine globale Ernährungskrise. Denn die genannten Krisen existieren nicht einfach nebeneinander her, sondern sind stark miteinander verknüpft und bedingen sich gegenseitig“, erklärt Auslandshilfemitarbeiterin Christiane Gaar.

Hauptgründe sind die Folgen des Klimawandels, der Covid-19-Pandemie, bewaffnete Konflikte, wirtschaftliche Verwerfungen, Einkommensungleichheit und nun zusätzlich der Anstieg der Nahrungsmittelpreise durch den Ukraine-Krieg. Besonders betroffen sind die ärmsten Länder der Welt, vor allem Länder im Nahen Osten, Asien und Afrika. Schon vor dem Ukraine-Krieg (2020) waren laut den Vereinten Nationen bis zu 811 Millionen Menschen unterernährt. Insgesamt befürchtet das Welternährungsprogramm (WFP), dass in den nächsten Monaten bis zu 47 Millionen Menschen zusätzlich an Hunger und Armut leiden werden, Millionen davon Kinder. „Doch diese Krisen zeigen auch, wie viel Solidarität möglich ist und dass kreative Lösungsansätze gefunden werden können und müssen. Gerade jetzt braucht es eine Portion Optimismus, denn es wird in den nächsten Monaten und Jahren viele handelnde Personen und Anstrengung brauchen, um diese Herausforderungen zu stemmen“, betont Auslandshilfeleiter Lukas Steinwendtner.

Wie die Caritas hilft –  Akuthilfe und nachhaltige Klimaresilienz
Wenn wir jetzt nicht handeln, droht eine Hungerkatastrophe ungeheuren Ausmaßes. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun! Die Caritas ist mit lokalen Caritas- und Partnerorganisationen vor Ort und hilft, Menschen vor der Hungersnot zu bewahren.

Wir helfen bei akuten Hungersnöten
In akuten Notsituationen verteilt die Caritas direkt Nahrungsmittelpakete, zum Beispiel, wenn es in Folge von Konflikten, Überschwemmungen und Lockdown zu zerstörten Ernten und unterbrochenen Lieferketten kommt. Zudem versorgen wir unterernährte Kleinkinder in Babyfeeding-Zentren und ältere Kinder in den Schulen mit täglichen warmen Mahlzeiten. Die Caritas unterstützt außerdem mit Geldhilfen, um Dürren zu überbrücken und Preissteigerungen abzufedern und die täglichen Bedürfnisse decken zu können.

Wir helfen Klimaresilienz nachhaltig aufzubauen
Die Caritas hilft vor allem Kleinbäuer*innen etwa durch Landwirtschaftsschulungen zur Erhöhung der Fruchtbarkeit der Böden, durch den verstärkten Einsatz von Kompost, zu diversifiziertem Anbau oder zu trockenheitsresistentem Saatgut. Getreidespeicher und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte verringern Ernteverluste und es gibt mehr Waren, die das eigene Auskommen sichern und zusätzlich auf Märkten verkauft werden können. Die Ernährung der Menschen ist nachhaltig gesichert und von externer Hilfe unabhängiger.

Unterstützung in Krisenregionen
25 Euro helfen einer Familie in einer schwer vom Klimawandel betroffenen Region dabei, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.
45 Euro ermöglichen den Kauf einer Ziege im Rahmen eines Landwirtschaftsprojekts.
Mit 50 Euro erhalten besonders vulnerable Familien in Krisengebieten Nahrungsmittelgutscheine bzw. Bargeldhilfen, mit denen eine fünfköpfige Familie – je nach Region – zwei bis vier Wochen lang ihre Grundbedürfnisse decken kann.

Onlinspenden

Weitere Informationen:
www.caritas.at/hunger